Retard? Langsam? Ach, dann werf ich halt noch ’ne Akut hinterher!“ – Die perfekte Anleitung zur Überdosis
„Retard? Langsam? Ach, dann werf ich halt noch ’ne Akut hinterher!“ – Die perfekte Anleitung zur Überdosis
Es ist Montagmorgen.
Der ADHS-Betroffene hat brav seine Ritalin Retard-Kapsel genommen.
Aber irgendwie… „Das wirkt nicht schnell genug.“
Was also tun?
Richtige Antwort:
Warten, weil das Präparat extra so gebaut ist, dass es über Stunden gleichmäßig wirkt – erst langsam freisetzt, dann konstant bleibt.
Falsche Antwort (die leider zu oft passiert):
„Ach, dann baller ich noch schnell ein Ritalin Akut oben drauf.“
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Herzlichen Glückwunsch: Willkommen im Turbo-Blutspiegel!
Jetzt passiert Folgendes:
1. Die Retardkapsel gibt ihren Wirkstoff langsam ab.
2. Das Akutpräparat knallt sofort ins Blut.
3. Beide treffen sich im Körper → Doppelte Ladung Methylphenidat gleichzeitig verfügbar.
Ergebnis:
Herz rast.
Blutdruck steigt.
Nervosität, Zittern, Übelkeit, im schlimmsten Fall: Kreislaufzusammenbruch oder Herzrhythmusstörungen.
Du wolltest „nur schneller wirken“ – und hast dir stattdessen ein schönes kleines Überdosierungsszenario gebaut.
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Warum das so gefährlich ist:
Retard + Akut = keine zwei Phasen.
Sondern:
Unkontrollierte Kumulation.
Das verzögerte Präparat wirkt noch lange im Hintergrund – während das Akut schon volle Power bringt.
Du fühlst dich erstmal "fokussierter", bis dein Kreislauf merkt, dass du gerade doppelt Gas gibst.
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Der Denkfehler: „Ich bestimme, wann das Medikament wirken soll.“
Medikamente sind keine Kaffeemaschinen.
Du kannst nicht per Knopfdruck den Wirkbeginn vorziehen.
Das Retard-Prinzip ist kein Vorschlag – es ist ein System.
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Der Effekt: Selbstgemachte Überdosis
Und das Beste:
Viele merken gar nicht, dass sie die Überdosis selbst verursacht haben.
Sie denken dann:
„Ritalin ist nix für mich, ich vertrage das nicht.“
In Wahrheit war es die eigene Ungeduld, die aus einem durchdachten Medikament ein Pulverfass gemacht hat.
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FAZIT (zum Einrahmen):
Zwei unterschiedliche Präparate gleichzeitig = zwei Steuerungen ausgeschaltet.
Und du sitzt im Cockpit ohne Kontrolle.
Wirkmechanismus von Retard- und Akut-Tabletten: Eine wissenschaftliche Erklärung
Die unterschiedlichen Formulierungen von Medikamenten, wie Retard und Akut, basieren auf unterschiedlichen Freisetzungstechniken und haben daher verschiedene Wirkungsprofile. Es ist wichtig zu verstehen, wie diese Formulierungen auf pharmakokinetischer Ebene wirken, um zu begreifen, warum und wie sie sich im Körper verhalten.
1. Retard-Formulierungen: Langsame, kontrollierte Freisetzung
Retardtabletten sind so entwickelt, dass sie den Wirkstoff über einen längeren Zeitraum hinweg in den Körper freisetzen. Diese Formulierungen nutzen spezielle freisetzungsmodifizierende Technologien, um die Resorption des Wirkstoffs zu verzögern und damit den Blutspiegel konstant zu halten.
Wie funktioniert das?
1. Matrix- oder Reservoir-Systeme:
In Retardtabletten wird der Wirkstoff in eine Matrix (z.B. in Form eines Gel- oder Polymer-Netzes) eingebettet oder in einem Reservoir (mit einer Membran umhüllt) platziert. Der Wirkstoff wird dann kontinuierlich freigesetzt, während die Tablette den Verdauungstrakt durchläuft.
Beispiel: Bei einer Matrix-Formulierung wird der Wirkstoff durch das Gel oder Polymer langsam in den Darm freigesetzt. Der Wirkstoff diffundiert allmählich durch die Matrix, wodurch eine gleichmäßige, verzögerte Freisetzung entsteht.
Bei einem Reservoir-System wird der Wirkstoff durch eine semipermeable Membran (eine durchlässige Hülle) langsam abgegeben. Die Membran kontrolliert die Geschwindigkeit der Freisetzung, sodass der Wirkstoff nicht sofort, sondern über Stunden hinweg in den Körper gelangt.
2. Freisetzungsprofile:
Das Hauptziel einer Retard-Formulierung ist es, die Plasmaspiegel des Wirkstoffs über längere Zeiträume hinweg stabil zu halten. Dies verhindert schnelle Spitzen und Täler im Wirkstoffspiegel, was zu einer gleichmäßigen Wirkung führt. Ein stabiler Blutspiegel vermindert die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen und sorgt dafür, dass der therapeutische Effekt über den ganzen Tag verteilt erhalten bleibt.
Beispiel: Eine Retard-Tablette von Ritalin gibt den Wirkstoff Methylphenidat kontinuierlich über 12 Stunden ab, wodurch die Symptome von ADHS über den Tag hinweg kontrolliert werden, ohne dass der Patient mehrmals am Tag eine Dosis einnehmen muss.
Wirkung im Körper:
Durch die verzögerte Freisetzung erreicht der Wirkstoff nach der Einnahme langsam den maximalen Plasmaspiegel und bleibt dort für einen längeren Zeitraum. Das sorgt für eine kontrollierte Bioverfügbarkeit und minimiert Spitzen, die zu Nebenwirkungen führen könnten.
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2. Akut-Formulierungen: Schnelle Freisetzung
Im Gegensatz zu Retardtabletten sind Akut-Formulierungen darauf ausgelegt, den Wirkstoff sofort freizusetzen, sobald die Tablette im Magen aufgelöst wird. Sie sind nicht durch langsame Freisetzungsmechanismen modifiziert, sondern liefern den gesamten Wirkstoff sofort.
Wie funktioniert das?
1. Schnelle Resorption:
Akut-Tabletten sind so formuliert, dass der Wirkstoff umgehend freigesetzt wird, sobald die Tablette im Magen-Darm-Trakt aufgelöst wird. Dies geschieht, weil sie keine Matrix oder Membran haben, die die Freisetzung verzögert. Der Wirkstoff ist sofort verfügbar, was zu einem raschen Anstieg des Plasmaspiegels führt.
Beispiel: Bei Ritalin Akut wird Methylphenidat nach Einnahme sofort im Magen-Darm-Trakt absorbiert und gelangt schnell in die Blutbahn. Dadurch wird eine schnelle therapeutische Wirkung erzielt, aber auch der Blutspiegel fällt nach kurzer Zeit wieder ab.
2. Kein Freisetzungsmechanismus:
Akut-Formulierungen verzichten auf Mechanismen wie Membranen oder Polymerschichten. Der Wirkstoff wird also sofort an den Körper abgegeben, was zu einem ganz schnellen Peak der Wirkung führt. Der Wirkstoff gelangt rasch in den Blutkreislauf, erreicht hohe Konzentrationen und wird dann in der Regel innerhalb von Stunden wieder abgebaut.
Wirkung im Körper:
Der Wirkstoff steigt schnell im Blutplasma an, was eine schnelle Wirkung zur Folge hat. Allerdings wird der Wirkstoff auch genauso schnell wieder abgebaut, was zu einem Abfall des Plasmaspiegels und einem Nachlassen der Wirkung führt. Der Vorteil dieser Formulierung liegt in der schnellen Linderung von Symptomen, aber der Nachteil ist, dass der Wirkstoff nur für eine begrenzte Zeit im Körper aktiv bleibt.
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